Ist es vielleicht die böse Rechtschreibreform, die so große Wunden ins Sprachbewusstsein der Deutschen geschlagen hat, dass nur jemand wie Bastian Sick für Linderung sorgen kann? Oder wie lässt sich der begeisterte Beifall erklären, der seiner munteren Revue sprachlicher Entgleisungen entgegenbrandet? Eine Revue, mit der der Auflagenmillionär seine ins Multimediale gewendete ?Zwiebelfisch?-Kolumne zu einem Bühnenspektakel sondergleichen aufgeblasen hat. Ganze Stadien kann man damit füllen.
Dennoch: Bastian Sick hat es schwer und leicht zugleich. Er möchte belehren, aber kein Oberlehrer sein. Da kommt ihm zupass, dass man auch am schlechten Beispiel lernen kann. Für solche Zwecke kann sich ein Kundiger wie Sick der überall herumliegenden sprachlichen Schrotthaufen bedienen, die im besten Fall zur Erheiterung aller beitragen: Anzeigentexte (?Feuchttraumserien?), Fußballerdeutsch (?Ich habe Vertrag?), verrutschte Sprichwörter und natürlich alle möglichen und unmöglichen Verwendungen jenes von Deutschlehrern gehassten und von ostdeutschen Broilerbudenbesitzern so geliebten Apostrophs. Jenes ?Auslassungszeichen?, lehrt uns Herr Sick, habe den ohnehin schwächelnden Genitiv so paralysiert, dass es ihn nun doch offiziell eskortieren darf, wenn auch nur bei Eigennamen. Auch schön: das wichtigtuerische Gewäsch aus den Lautsprechern deutscher Bahnhöfe.
Bei der Zielgruppe, die besonders unter jenem Sprachverfall zu leiden hat, der sich schon beim Konsum der unterirdisch synchronisierten amerikanischen Seifenopern im Fernsehen einstellen muss, ist Herr Sick aber offenbar noch gar nicht angekommen: Es sind überwiegend fortgeschrittene Semester, die in seine Veranstaltungen strömen ? was vermutlich damit zu tun hat, dass diese Klientel wenigstens ungefähr weiß, wovon Herr Sick überhaupt spricht. Zeitgenossen der Sprachstufe ?Ich geh Aldi? sind präpositionalen und anderen Feinheiten vermutlich nicht zugänglich.
Dennoch ist das, was der Autor der wie geschnitten Brot über die Ladentische gehenden Bücher über den im Ableben befindlichen Genitiv in seiner Show vermittelt, vielleicht doch ein Beitrag zur Rettung der Sprache. Richtig verpackt und mit witzigen Stories, Dias und Gesangseinlagen gewürzt, scheint Deutschunterricht vielen Menschen wieder Spaß zu machen. Und das ist durchaus etwas Neues.
Dass man einiges dafür hinlegen muss, damit Herr Sick einem wohlige Schauer des Sprachgrusels über den Rücken jagt, dass man zudem ? keineswegs dezent ? zum Kauf der anderen medialen Hervorbringungen des Sick?schen ?Zwiebelfisch?-Universums aufgefordert wird (etwa ein Sprachquiz), das ist die andere Seite der Medaille. Was lernt uns das? Auch Sprachpflege lässt sich vermarkten, wenn man es nur richtig aufzieht. Seltsam. Aber von Klingeltönen hätte das auch kein normaler Mensch gedacht.
Marcus Ostermann